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Beitrag vom 12.07.2014
Lea Feynberg - Sie und ich. Wir sind King
Lea Feynberg
Die in Moskau geborene Autorin von "Ich werd sowieso Rapper. Erfahrungen einer gut gelaunten Lehrerin" unterrichtet in einer Sekundarschule und schreibt über ihren Berufsalltag und ihre (jüdische)...
... Migrationsgeschichte.
Ich komme in die Klasse. Neben mir landet ein angebrochener Bleistift. Und neben dem Mülleimer. Und dann höre ich auch schon Nafisa schreien: "Abdul, Junge, bist du behindert?? Deswegen sterben Blätter!"
"Was Blätter? Kauf dir ma Gehirn, Mädchen. Bäume sterben. Bäume. Sagt die ´Blätter´. Und red ma nicht mit mir. Ich habe keine Zeit für niveaulose Menschen. Werd ma schlau, guck ma ´Wer wird Millionär´ oder so."
Ich habe eine viel bessere Idee. "Oder lest doch mal beide ein Buch. Na, wie wär´s?"
Abdul ist nicht wirklich begeistert. "Nein, man. Frau Feynberg, ich schwör, Sie haben mich süchtig gemacht! Ich guck nur wegen Sie jeden Montag ´Wer wird Millionär´. Mies geile Show. Ich hab also heute vielleicht keine Zeit, Hausaufgaben zu machen... Weil heute is doch Montag."
"Abdul! Die Show dauert nur eine Stunde. Du hast den gesamten Nachmittag!"
"Wallah? Wieso machen Sie so? Gleich so übertreiben. Am ersten Tag nach Wochenende.." Abdul seufzt laut. Man könnte meinen, ich verlange das Auswendiglernen von Goethes Faust.
"Du weißt doch, Lehrer sind gemein. Und ich sowieso."
"Habe ich doch gar nicht gesagt.. Wallah..."
"Apropos, Wer wird Millionär... Die Kandidaten müssen ja ganz schön viel wissen. Weißt du, was ´Wallah´ heißt?"
Abdul denkt nach.. "Ja, ich weiß schon, aber ich kann es irgendwie nicht erklären."
Also erkläre ich es Abdul. Heutzutage muss man einfach wissen, wofür ´Wallah´ steht und was es bedeutet. Fast so wichtig wie Dreisatz.
"Aaalleee, Frau Feynberg.. Können Sie Arabisch?"
"Ich kann ein bisschen Hebräisch und da gibt es viele Wörter, die im Arabischen genauso klingen."
"Wie viel Sprachen Sie können? Warum ist Ihre Familie so schlau? Träumen Ihre Eltern und Bruda ´Wer wird Millionär´??"
"Wir haben die Sendung erfunden. Und Sonntags denken wir uns beim Frühstück Fragen für die Sendung aus."
"Ja ja. Sagen Sie ma nich, Sie verstehen mich?! Wissen Sie auch, was ´Scharmuta´ heißt?"
"Ja, Abdul! Ich verstehe auch Beleidigungen! Gerade Beleidigungen!"
Abdul bekommt ganz große Augen. "Miesschlau... Was heißt denn ´Schwein´ bei Ihnen?"
"Bei uns? Auf Hebräisch meinst du... Nicht jeder Jude spricht Hebräisch... Chasir."
"Kraaaas, bei uns heißt dem ´Chansir´. Und Juden dürfen auch kein Schwein essen, wa?"
"Nein."
"Und schwören auch nicht?"
"Und schwören auch nicht."
"Ich schwör, wie viele Gemeinsamkeiten es gibt. Die sollen ma aufhören, Krieg zu machen!"
"Siehst du mal, Abdul. An uns beiden können sich viele ein Beispiel nehmen."
"Ja man. Sie und ich. Wir sind King."
Lea Feynberg, 1980 geboren in Moskau, Russland, wanderte mit zehn Jahren nach Deutschland ein, studierte Pädagogik, Geschichte und Politik in Heidelberg und lebt nach einer Station in Berlin heute in Hamburg. Sie unterrichtet in einer Sekundarschule und schreibt über ihren Berufsalltag. Oftmals erzählt Lea Feynberg den muslimischen Jugendlichen von den jüdischen Traditionen und sie ihr von ihrem Alltag als Muslime. Sowohl die SchülerInnen als auch die Jugendlichen profitieren sehr von diesem Austausch.
Lea Feynberg
Ich werd sowieso Rapper
Erfahrungen einer gut gelaunten Lehrerin
ISBN: 978-3-462-04585-7
Erschienen am: 07.11.2013
288 Seiten, Taschenbuch
Kiwi 1350
www.kiwi-verlag.de